Frau Peace Magoba Bukenya zu Besuch an der Limesschule

Dienstag große Pause auf dem Schulhof der Limesschule: Alle sind da, um Frau Peace Magoba Bukenya, die Schulleiterin der Partnerschule in Uganda, zu begrüßen. Lehrerinnen und Lehrer haben ein Trommelstück eingeübt und der Chor der 5. Klasse singt. Die Schülerinnen und Schüler der Deutsch-Intensiv-Klasse heißen Frau Magoba in ihren jeweiligen Muttersprachen willkommen. Finn Schäfer aus der 9bG hält die Begrüßungsrede. Die Veranstaltung wird von Paula Ulitzsch fotografiert und von Siddhart Jaggia gefilmt. Frau Angelika Deinhardt betont in ihrer Ansprache, wie unterschiedlich die Herausforderungen sind, vor die Schulen in Deutschland und in Uganda gestellt sind, und wie neugierig die Mitglieder der Limesschule nun auf den intensiven Austausch an Ideen, Gedanken und Erfahrungen sind.

Frau Magobas Besuch wird ermöglicht durch die Förderung von GLOBAL ENGAGEMENT im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die ugandische Schulleiterin wird bis Mittwoch, den 14.06.2017 viele Klassen besuchen, Vorträge halten, Fragen beantworten und im Unterricht hospitieren. Sie wird dabei jeweils von 2-3 Schülerinnen und Schülern begleitet, die abwechselnd simultan übersetzen. Schnell ist die anfängliche Scheu vorbei, denn Frau Magoba erobert die Herzen ihrer Zuhörer im Flug: Wie aufgeregt sie war, das erste Mal ihr Land zu verlassen und ein Flugzeug zu besteigen. Lebhaft und eindringlich schildert sie das Leben an der St. Mugaggaschool, einer weiterführenden beruflichen Schule 40 km nördlich des Viktoriasees in einer der ärmsten Gegenden Ugandas. 479 Schülerinnen und Schüler werden dort von 24 Lehrkräften unterrichtet. 30 Jungen und 70 Mädchen nutzen derzeit die Möglichkeit, während der Woche unter einfachsten Bedingungen in der Schule zu wohnen. Für die Kinder und Jugendlichen in Kkindu Masaka, wo die Partnerschule liegt, bildet Bildung die einzige Möglichkeit, um die Lebensbedingungen zu verbessern. Die Menschen in Masaka leben vor allem von Subsistenzwirtschaft. Die Kaffeepreise am Weltmarkt sind rapide gesunken, so dass viele Eltern bei einer durchschnittlichen Kinderzahl von 8 Kindern große Schwierigkeiten haben, das Schulmaterial (Heft, Stift und Schulkleidung) zu bezahlen. Dazu kommt das Geld für das Schulessen, das in vielen Familien fehlt. Dennoch machen sich viele Jungen und Mädchen Tag für Tag auf den langen Schulweg, der besonders für die Mädchen zur Falle wird. Männer sprechen die Mädchen auf dem Hinweg an, locken sie mit kleinen Geschenken oder kleinen Geldbeträgen, und lassen sie auf dem Heimweg „bezahlen“. Schwangerschaften beenden den Bildungsweg der Mädchen oft früh. Da Hygieneartikel nicht zu haben sind, bleiben menstruierende Mädchen oft fünf Tage zuhause und verpassen viel Unterricht. Aufgrund dieser schlechten Lernbedingungen erhalten die Mädchen in Uganda, die dennoch den Hochschulzugang erreichen, einen Bonus von 1,5 Notenpunkten bei der Bewerbung um einen Studienplatz als Anreiz zur akademische Bildung. Die Widerstände sind hoch, denn nach wie vor bringt ein Mädchen, das verheiratet wird, acht bis zehn Kühe für ihre Familie. Umso stolzer ist Frau Magoba, dass wieder eine ihrer Schülerinnen ein exzellentes Examen gemacht hat und ein Stipendium für ein Medizinstudium erhalten hat. Eindringlich schildert sie den Schülerinnen und Schülern der Limesschule, was ihre Mitschülerinnen und Mitschüler auf sich nehmen, um lernen zu dürfen und wie dankbar sie für die Schulpartnerschaft mit der Limesschule sind.

Dass ihre deutschen Kolleginnen und Kollegen damit beschäftigt sind, immer wieder neu die Motivation und Lernfreude der Jugendlichen zu wecken, beschäftigt Frau Magoba: „Die haben einfach schon alles – warum sollen sie sich anstrengen.“ Dass die Lehrerinnen nach der Geburt nicht sofort wieder arbeiten, muss erklärt werden: Im Unterschied zur Situation in Uganda ist zuhause meist niemand, der das Baby versorgen kann. In Uganda kann sich keiner leisten, ein Familienmitglied, wie weitläufig die Verwandtschaft auch ist, nicht im Hause aufzunehmen. Wenn die Mutter einen Job hat und Geld verdient, kann sie nicht zuhause bleiben – Mutterschutz ist unbekannt bei einer Arbeitslosigkeit von 80%. Wen wundert es da, dass jetzt an der Limesschule über Demographie, Familienpolitik, Arbeitslosigkeit und Altersvorsorge diskutiert wird. Welche basalen Skills trainieren wir hier in Deutschland von klein auf, damit das entsteht, was Frau Magoba so auffällt: die Ordnung, die Sauberkeit der Straßen, der hohe Grad an Organisation, wohin man auch blickt, die Selbstdisziplin und – unser unermesslicher Reichtum. Auf der anderen Seite ist es ungewohnt für die 43jährige Schulleiterin, die gerade eine universitäre Weiterqualifizierung in pädagogischer Leadership absolviert, wie unterschiedlich der Umgang zwischen Schülern und Lehrern hier in Deutschland ist. Während es in Uganda üblich ist, dass Kinder vor Eltern knien und Schülerinnen und Schüler vor den Lehrkräften, fällt ihr hier der unbefangene Umgang zwischen den Lehrern und Schülern auf. Während Kinder in Uganda von klein auf den Respekt vor Erwachsenen lernen und an anderen Schulen – nicht der St. Mugaggaschool - körperliche Strafen durchaus üblich sind, leisten die Kolleginnen und Kollegen hier in Deutschland häufig elementare Erziehungsarbeit und versuchen, ohne Angst und Strafe soziale Kompetenzen zu vermitteln.

Am Mittwoch konnte sich Frau Magoba an den beruflichen Schulen in Taunusstein durch die sie Herr Enders, der Schulleiter, führte, ein Bild von den vielfältigen Möglichkeiten in der beruflichen Bildung machen. Kleine Lerngruppen und ein renoviertes Werkstattgebäude stehen in krassem Gegensatz zur Ausbildungssituation an der St. Mugaggaschool: Dort werden häufig 60-90 Schülerinnen und Schüler in einer Klasse unterrichtet. Viele Schüler teilen sich eine der wenigen Nähmaschinen in der Schneidereiabteilung. Überraschend wirken auf Frau Magoba auch die jungen Männer in der Schulküche der BSU, die dort selbstverständlich mit den jungen Frauen Kleingebäck herstellen.

Am Donnerstagmittag hat die Schülervertretung der Limesschule Frau Magoba zum gemeinsamen Kochen in die Schulküche eingeladen. Überhaupt haben die Schülerinnen und Schüler ihren Gast bei sich aufgenommen: Es sind die Schülerinnen und Schüler, die sie als Übersetzer begleiten, die ihr mit Fotoapparat und Filmkamera auf den Fersen sind und sie auch zuhause aufgenommen haben: Frau Magoba wohnt unter der Woche bei einem Abiturienten. Am 09.06.2017 ist sie als Ehrengast beim Sommerkonzert und wird dafür werben, mit einer Spende den Bau eines Schlafhauses für die Mädchen der St. Mugaggaschool zu unterstützen. Die intensive gemeinsame Zeit endet nächste Woche mit den Abiturfeierlichkeiten. Am Samstag, den 17.06.2017 wird Frau Magoba mit vielen Eindrücken und Ideen wieder nach Hause fliegen und bei den Mitgliedern der Schulgemeinde der Limesschule wächst die Nachfrage nach einem Gegenbesuch in Kkindu.

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