Eine Lesung der besonderen Art

Aus dem Off ertönt Stimmengewirr, eine Lautsprecherstimme ruft den nächsten Flug auf, Düsengeräusche, Schritte, danach leises Möwenkreischen und orientalische Klänge,  so beginnt die Autorenlesung an der Limesschule bei der sich die Zuhörer/Innen in ferne  Handlungsorte des Romans „Räuberhände“ versetzen lassen. Bereits im dritten Jahr kooperiert die Limesschule Idstein mit dem Netzwerk Leseförderung des Rheingau-Taunus-Kreises und bietet diesmal dem jungen Filmemacher und vielfach literarisch ausgezeichneten Autor von Jugendromanen, Finn-Ole Heinrich, eine Bühne.

Am vergangenen Mittwoch erlebten 230 Schülerinnen und Schüler des 10. Jahrgangs des Realschulzweiges und der Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe sowie Gäste aus benachbarten Schulen eine Lesung der besonderen Art. Obwohl seine Bücher schon auf der Abiturleseliste in Hamburg zu finden sind, bot Finn-Ole Heinrich mit seinen 32 Jahren ein befreiend lockeres Bild eines Autors. Er entschuldigte sich bei den Schülerinnen und Schülern sogar dafür, dass nun Generationen eine so entscheidende Prüfung über seinen Roman ablegen müssten. Mit dieser Bescheidenheit gewährte Finn-Ole Heinrich auch Einblicke in den Schaffensprozess von Autoren und desillusionierte damit sogar ein wenig die anwesenden Deutschfachlehrer /Innen über die Deutungsvarianten von Literatur. Auf die Frage, ob er beim Leser etwas habe bewirken wollen, antwortete er bloß mit einem kurzen „Nö!“ -sicherlich sehr zur Erleichterung so mancher Schüler, die sich mühsam durch Analysen und Interpretationen quälen. Heinrich las aus seinem hochgelobten Roman „Räuberhände“, der von Freundschaft, der Leichtigkeit jugendlichen Aufruhrs und der Suche nach Identität handelt. Immer wieder unterbricht er seinen Ich-Erzähler-Vortrag mit Sequenzen von Musik, Geräuschen und Hörbuchstimmen und zeichnet so das nach, wofür man ihn in der deutschen Literaturszene lobt. Er versteht es, ein so einfühlsames Psychogramm über Menschen zu verfassen und dabei mit seiner Sprache genauso unprätentiös zu bleiben, wie er sich selber an diesem Morgen zeigt. Als Heinrich die Lesung beendet, scheint seine Stimme noch die Gedanken für Sekunden zu bannen, bis sich die konzentrierte Stille in einem lauten Applaus auflöst. Im Anschluss an die Lesung nimmt Finn- Ole Heinrich sich noch Zeit, um auf Fragen von Schülerinnen und Schülern einzugehen. Im Gespräch lässt er dann doch noch durchblicken, dass die Absicht hinter seinem Roman die eigene Suche nach einer Antwort auf die Frage, was eine Freundschaft ertragen könne, sei. Durch seine männlichen Protagonisten habe er die Intensität und Grenzen der Freundschaft ausgelotet und schließlich auch gefunden.

Finn-Ole Heinrich versprach, er werde wiederkommen. Wir hoffen es!

Das Foto zeigt Finn-Ole Heinrich im Gespräch mit Schülern der E-Phase der gymnasialen Oberstufe.

(Text: C. Becker-Werner//Foto: Paula Ulitzsch, 9aG)

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